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200 Quadratmeter Gedenken – Bodenskulptur “Stigma” am Gedenkort Stadthaus

Zersplitterte Granitsteinplatten. Teil des Kunstwerks Stigma an den Stadthöfen Hamburg

Künstlerinnenduo missing icons gestaltet Gehweg vor dem Gedenkort künstlerisch um

200 hellrote Quadratmeter im Gehweg vor den heutigen Stadthöfen, dem früheren Hamburger Stadthaus: Das ist das Kunstwerk Stigma am Neuen Wall/Stadthausbrücke. Das Künstlerinnenduo missing icons, Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper, hat heute vor Ort mit den ersten vorbereitenden Arbeiten für die großflächige Bodenskulptur begonnen, die in den kommen-den Wochen realisiert werden soll. Das Mahnmal wird künftig die Vergangenheit des Ortes beim alltäglichen Überqueren des Gehwegs unvermittelt wachrufen. Als Sitz der Polizei und Gestapo wurde das Stadthaus während der NS-Zeit zum Schreckensort, an den seit 2020 ein Gedenkort mit historischer Ausstellung erinnert.

Was konkret passiert

Während der Bauzeit zerschlagen die Künstlerinnen zunächst einen Teil der hellen Gehwegplatten aus Granit mit schwerem Gerät und entnehmen Platten entlang der Bruchkanten. Die großflächige Vertiefung füllen sie mit weichem Gummigranulat und einer hellroten Schicht aus Granulat und Splitt auf. So entsteht erneut eine ebene, nun markant federnde und farbige Oberfläche als Spur im Bürgersteig.

Wie es zu Stigma kam

Auf Vorschlag des Beirats zur Begleitung der Entwicklung des Geschichtsortes Stadthaus hatte die Bürgerschaft 250.000 Euro bewilligt, um vor dem ehemaligen Stadthaus ein deutliches Denkzeichen zu setzen. Aus dem Haushalt der Behörde für Kultur und Medien kommen weitere 30.000 Euro für die Umsetzung hinzu. Mit dem Entwurf für Stigma gewannen missing icons 2019 den ersten Preis eines künstlerischen Wettbewerbs, den die Behörde für Kultur und Medien ausgeschrieben hatte. In Absprache mit den beteiligten Ämtern, dem Beirat Stadthöfe und Interessenvertretungen beginnt jetzt die Realisierung. Das Kunstwerk erstreckt sich von der Ecke Stadthausbrücke/Neuer Wall entlang des ehemaligen Hauptsitzes der Gestapo bis zur Brücke über den Bleichenfleet. Direkt auf der Brücke lässt es sich technisch nicht umsetzen. Die Entstehung des Kunstwerkes im öffentlichen Raum wird filmisch dokumentiert und ab November 2021 in der Ausstellung im Gedenkort Stadthaus gezeigt.

Stigma ist ein Einschnitt im fertig restaurierten Stadtraum, ein Zeichen, das nicht mehr verschwindet. Wie eine vernarbte Wunde hält das Relief die Erinnerung an Gewalt und Zerstörung der NS-Zeit offen. Zugleich aber ist das fertige Bodenrelief ein ganz alltäglicher Bestandteil des Stadtraums. Man kann sich ihm nicht entziehen und spürt mit jedem Schritt, dass hier etwas nicht stimmt.

„Mit Stigma setzen wir ein starkes Denkzeichen im öffentlichen Raum um, das uns unmittelbar dazu veranlasst, über die Geschichte dieses Ortes nachzudenken. Das Grauen, das von diesem Ort ausging, hat tiefe Narben hinterlassen. Dies zeigt Stigma auf eindrückliche Weise und leistet so einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen. Gedenkort und Denkzeichen ergänzen sich, um die Erinnerung an die Geschichte der Stadthöfe wach zu halten.“ Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien

„Stigma ist und bleibt verstörend. Im Kunstwerk verschmel-zen brutale Gewalt und sorgfältige Reparatur, Unrecht und Wiedergutmachung, Verdrängung und Reflexion. Die Narbe im gerade fertig restaurierten Hamburger Stadtraum ruft en passant die heikle Geschichte des Umgangs mit der NS-Vergangenheit des Stadthauses und das Leid der Menschen in Erinnerung, denen an diesem Ort Unrecht und Gewalt angetan wurde.“ Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper

Ästhetische Erfahrung als Denkanstoß

Im Unterschied zur Ausstellung in den Stadthöfen ist das Kunstwerk Stigma kein didaktisch vermittelnder Ort des Gedenkens. Ohne zu erklären, gibt es den Passantinnen und Passanten über seine eigenartige Form und weiche Beschaffenheit zu denken. Mitten in Hamburgs Innenstadt vor dem markantesten Gebäudeteil der Stadthöfe betritt man unversehens diesen visuell-haptischen Marker: Der Bruch zwischen Vergessen, Erinnerung oder auch Nicht-Wissen wird für alle körperlich erfahrbar.

Die sichtbaren Wunden, die der Nationalsozialismus geschlagen hat, sind vielerorts verschwunden, aber ihre Narben zeichnen noch heute weltweit Millionen Familiengeschichten. In Deutschland wirken die Fragen nach Verstrickung, Schuld und Verantwortung bis in die Gegenwart hinein. Passantinnen und Passanten, die das Bodenrelief Stigma betreten, geraten unweigerlich ins Nachdenken über Sinn oder Unsinn der Bruchspur vor den Stadthöfen: Warum fand genau hier eine offensichtlich mutwillige Zerstörung statt, die als Narbe sichtbar bleibt? Dies regt zur weiteren Erforschung der Hintergründe an. Mahnmal und vermittelnde Ausstellung treten so in einen komplexen Dialog.

Die Künstlerinnen

Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper arbeiten seit 2013 zusammen an bildnerisch-bildhauerischen Projekten für Kunst-am-Bau-Wettbewerbe und Ausstellungen und gründeten 2017 das Label missing icons. Sie materialisieren Verdrängtes, Verschwundenes, Unbestimmtes und Unvorstellbares im öffentlichen Raum. Am 7. Oktober 2021 wird ihr „Rolihlahla – Troublemaker – Unruhestifter“, ein Roh-diamant in einer Acrylglasstele, auf dem Nelson-Mandela-Platz in Nürnberg eingeweiht. Im Frühjahr 2022 beginnen sie mit der Realisierung des Bohrlochreliefs „Untiefen“ im zukünftigen Sitz der Bundesministerien für Gesundheit und Familie in Berlin.

Mehr Infos: gedenkstaetten-in-hamburg.de

Islamische Kunst? Kalligrafie? News from Aatifi

Aatifi c) Joachim Grothus Kunst-PR Islamische Kunst

“Die Arbeiten des deutsch-afghanischen Künstlers Aatifi zur modernen Interpretation ‘islamischer’ Kalligrafie zeigen auf beeindruckende Art und Weise, wie Elemente einer langen kultur- und kunstgeschichtlichen Tradition in seinen Malereien und Grafiken durch spektakuläre Neuinterpretationen zu neuem Leben erweckt werden.”

Prof. Dr. Stefan Weber, Museumsdirektor Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin

Mit seiner Einzelausstellung im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin (Foto: Joachim Grothus) im Jahr 2015 erlebte der afghanisch-stämmige Maler und Druckgrafiker Aatifi einen Quantensprung in seiner Vita. Für die Regionen Hamburg und Berlin führen wir seit Frühjahr 2016 einen Vernetzungsauftrag für den Künstler durch – mit den Zielen, Ausstellungen in Kunstvereinen und Museen zu initiieren und eine renommierte Galerie für den aufstrebenden Künstler zu finden.

Westliche Augen betrachten die geschwungenen Formen und Linien in intensiven Blau- und Rottönen zunächst als abstrakte Kunst mit einer dynamischen Bildsprache. Menschen aus islamisch geprägten Ländern erkennen vertraute und gleichzeitig fremdartige Zeichen. Der Künstler Aatifi vereint in seinen Arbeiten beides: Elemente der klassischen islamischen Kalligrafie genauso wie der zeitgenössischen Kunst. Beide treten in einen Dialog miteinander.

Geburtsort: Kandahar, Afghanistan

1965 geboren in Kandahar, stellten für Aatifi die arabischen Schriftzeichen schon als kleines Kind geheimnisvolle, lebendige Wesen dar. Er lernte die wichtigsten Stile der klassischen Schriftkunst beherrschen und begann sie schon früh – zum Unmut seiner Lehrmeister – abzuwandeln. Als ausgebildeter Kalligraf und studierter Maler – mit Studium an der Fakultät der Schönen Künste der Uni Kabul und der Hochschule für Bildende Künste Dresden – begann Aatifi, die Kalligrafie weiterzuentwickeln und mit Malerei zu verbinden. Im Laufe der Zeit ist daraus eine eigene, reduzierte Bildsprache entstanden. Eine Bildsprache, die seit 20 Jahren ohne jeden Textbezug auskommt.

“Meine Kunst ist nicht verbunden mit einem bestimmten Ort oder einem Land oder einer Religion. Sie ist purer ästhetischer Ausdruck!” — Aatifi

Selbst hergestellte Werkzeuge, selbst angerührte Farben

In seiner Acrylmalerei wie auch in der Arbeit mit Tusche verwendet Aatifi besonders breite, selbst hergestellte Pinsel, um die Formen in einem Zug durchziehen zu können. Für seine Malereien rührt er die Farbpigmente bis heute selber an.

Dialog der Geschichte(n)

Die Einzelausstellung “News from Afghanistan” von Aatifi im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin umfasste drei Dutzend Malereien und Grafiken, umgeben von islamischer Kultur aus 14 Jahrhunderten. Besonders spannungsreich war die Installation im Mschatta-Saal mit einer Palast-Fassade aus dem 8. Jahrhundert, der zwei monumentale magentafarbene Malereien gegenübergestellt waren.

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